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Pflege und Erziehung: Fachkräfte-Mangel beseitigen

Christoph Klausing (CDU): Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die gemeinsame Resolution der demokratischen Fraktionen und der Ratsgruppe BUNT ist ein Ausdruck von Sorge. Wir machen uns tatsächlich Sorgen um die Sorgearbeit. Das betrifft nicht nur die Altenpflege, sondern auch die Betreuung von kleinen Kindern. Insofern müssen wir darüber nachdenken, wie wir damit umgehen, dass in Familien sowohl überlegt werden muss, wer sich um die Kinder kümmert, als auch überlegt werden muss, wer bei den älteren Menschen die konkrete Arbeit im Haus oder auch extern übernimmt. In diesem Zusammenhang durfte ich mir heute einmal den Jahresbericht des Caritasverbandes für die Stadt Köln anschauen. Sie haben diesen Bericht wahrscheinlich auch ins Fach gelegt bekommen. Er ist thematisch sehr passend. Auf Seite 16 führt der Caritasverband zu genau diesem Thema, Pflegebedürftige und alte Menschen, Folgendes aus: Ist die Pflege selbst schon ein Pflegefall? Hier wird der Caritasverband für die Stadt Köln recht deutlich. Er stellt dar, was es braucht: 1. Unsere Gesellschaft muss bereit sein, mehr Mittel und Ressourcen in die Pflege zu investieren! 2. Nur eine Vielfalt an Angeboten für Pflegebedürftige schafft die notwendige Sicherheit der Versorgung! Wir müssen also den Weg „ambulant vor stationär“ weitergehen, aber gleichzeitig an Folgendes denken: Wir brauchen Dauerpflegeeinrichtungen. Wir brauchen Tagespflege. Wir brauchen einen Mix aus ambulant, teilstationär und stationär. Dann geht der Caritasverband für die Stadt Köln ähnlich, wie wir es in unserem Antrag geschrieben haben, sehr ausführlich auf den Fachkräftemangel ein. Wir haben in Deutschland nämlich die Situation, dass auf 100 offene Stellen in der Pflege 29 Menschen kommen, die in diesem Bereich Arbeit suchen. Sprich: Wir haben einen eklatanten Fachkräftemangel. Das wirkt sich dann auch sehr konkret aus. Wenn jemand pflegebedürftig wird und weiterhin zu Hause gepflegt werden möchte, stehen Familien vor dem großen Problem, wie sie die Pflege organisiert bekommen. Es gibt vielfältige Angebote in der Tagespflege oder über Vermittlungsagenturen mit Unterstützung durch Pflegekräfte oder Betreuungskräfte aus Osteuropa. Was die Frage angeht, wie man es wirklich organisiert bekommt, Pflegebedürftige in der Familie menschenwürdig zu pflegen und Familien bei der Sorgearbeit zu unterstützen, sind wir aber tatsächlich langsam mit unserem Latein am Ende. An dieser Stelle geht es nicht nur um Geld. Wir könnten so viel Geld, wie wir wollen, ins System pumpen. Die Menschen, die die Pflege übernehmen, können wir uns nicht backen. Deswegen - da stimme ich dem Kollegen Heinen und den anderen Vorrednern ausdrücklich zu - müssen wir schauen, wie wir mehr Menschen qualifiziert bekommen. Das gilt sowohl im Bereich der Pflege als auch im Kindergartenbereich. Wir müssen auch Erzieherinnen und Erzieher befähigt bekommen. Dafür müssen wir organisiert bekommen, dass sie entsprechend ausgebildet werden. Das hängt mit dem Personalschlüssel zusammen. Die Bundesregierung ist gerade auf dem Weg, in einer Erprobungsphase mit wissenschaftlichen Untersuchungen bis zum 30. Juni 2020 - das ist noch einige Zeit hin - zu schauen, wie das Personalbemessungssystem organisiert wird. Der Caritasverband für die Stadt Köln gibt noch weitere konkrete Aufträge. Er führt aus: Die formalen Dokumentationspflichten sollten weiter vereinfacht werden. Die Quote der Nicht-Fachkräfte könnte erhöht werden, um die vorhandenen (zu wenigen) Fachkräfte zu entlasten. Viele einfache Tätigkeiten (Hilfestellungen beim Ankleiden, Hilfestellung beim Essen, Betten machen, Aufräumarbeiten) sind auch von angelernten und durch die Fachkräfte beaufsichtigten Hilfskräften zu leisten. Das ist ein wunderbarer Punkt, finde ich. Wo können wir unterstützende Assistenzaufgaben tatsächlich noch mehr in Anspruch nehmen? Durch die Pflegestärkungsgesetze hat die Bundesregierung - auch die letzte Bundesregierung - ganz deutliche Akzente gesetzt und 60 000 neue Stellen in diesem Bereich der Assistenzsysteme geschaffen. Insofern müssen wir uns auch einmal vor Augen führen, was denn in den letzten Jahren geleistet worden ist. 60 000 Menschen zusätzliches Personal! Ich glaube, dass die Bundesregierung jetzt auch auf einem guten Weg ist, in diese Richtung weiterzugehen. Gleichzeitig müssen wir uns in Köln überlegen, was es für uns bedeutet, dass ein großer Bedarf an Assistenzberufen besteht, und wie wir Menschen als ersten Schritt in Assistenzberufe in diesem Bereich hineinbringen können. (Beifall bei der CDU und von Marion Heuser [Bündnis 90/Die Grünen]) Wir müssen die Berufe aber auch attraktiver machen. Dazu gehören laut dem aktuellen Träger des Deutschen Pflegepreises insbesondere faire Löhne, eine gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie eine attraktive Vergütung. Weil der Inhaber des Deutschen Pflegepreises Karl-Josef Laumann heißt und gleichzeitig Gesundheitsminister von NRW ist, mache ich mir ehrlicherweise um die Denke, mit der die Landesregierung an dieser Stelle unterwegs ist, wenig Sorgen. (Beifall bei der CDU) Wir adressieren aber nicht nur Bund und Land, sondern auch die Kommune. Die kommunale Pflegekonferenz soll sich mit dem Thema auseinandersetzen. Ich möchte uns noch eine kleine Denksportaufgabe mitgeben. Selbst wenn wir zu fairen Löhnen kommen und die geänderte Ausbildung dafür sorgt, dass in der Altenpflege die gleichen Löhne gezahlt werden wie im Krankenhaus für Krankenpfleger und Krankenschwestern, wird es eng. Es wird einfach eng. Stellen wir uns als Beispiel einmal zwei junge Menschen, Anfang 30, mit einem Kind vor. Beide sind ausgebildete Krankenpfleger und bekommen einen entsprechenden Lohn. Weil sie sich die heimische Sorgearbeit teilen, sind beide mit 75 Prozent angestellt. Das ist ja ein bisschen unser gesellschaftliches Zielbild: Beide arbeiten 30 Stunden, und beide kümmern sich um das Kind. Das Geld ist zu viel, als dass es Wohngeld gäbe. Ich habe das vorhin noch einmal ganz sportlich auf der Homepage des Bundesministeriums ausgerechnet. Es ist zu viel Einkommen, als dass es Wohngeld gäbe. Es ist ein zu hohes Einkommen, als dass es einen Wohnberechtigungsschein gäbe. Es ist aber, wie ich finde, bitter wenig Geld, wenn man sich die Wohnungspreise in der Stadt Köln und die sonstigen Systeme in der Stadt Köln ansieht. Das ist jetzt unabhängig vom Fachkräftemangel in diesem konkreten Bereich. Aber wenn wir über Fachkräfte in der Stadt Köln sprechen, haben wir eine eigene kommunale Aufgabe. Wir müssen die Leistungsträgerinnen und Leistungsträger in der Stadt Köln nämlich auch mal wieder anständig behandeln und in den Fokus unserer Politik stellen. (Beifall bei der CDU) Meine Redezeit ist vorbei. Ich möchte nur noch einen einzigen Satz zum Thema DRGs und zum Änderungsantrag der LINKEN sagen. Diese Forderung habe ich, ehrlich gesagt, gar nicht verstanden. Da mögen Sie mich eines Besseren belehren. Vielleicht bin ich da fachlich nicht genug drin. Dafür sitze ich hier im Rat der Stadt Köln und nicht im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages. Dafür bin ich an dieser Stelle auch dankbar. Was die DRGs hier verloren haben - abgesehen davon, dass sie sehr sinnvoll sind, weil sie unser Gesundheitssystem effizient gemacht haben -, verstehe ich aber beileibe nicht. Hinzu kommt Folgendes: Der Pflegekomplexmaßnahmen-Score wird 2018 gerade weiterentwickelt. Auch die - ich muss es nachlesen - OPSProzedur 9-20, die für hochkomplexe Pflegemaßnahmen im Klinikbereich gilt, wird angepasst. Dadurch erfolgt gerade eine Entschärfung der Personalsituation in den Kliniken, wo die DRGs dann bei der Kalkulation pflegerelevant sind. Was das damit zu tun hat, erschließt sich mir nicht. Ein Problem haben wir tatsächlich im Bereich der stationären Pflege, wo die medizinische Behandlungspflege nicht klug genug über die Krankenkassen abgerechnet wird. Das ist wirklich eine Sache, bei der man genauer hinschauen muss. Die Kliniken und die stationären Pflegeeinrichtungen müssen das dann auch richtig codieren. Auf die DRGs einzustechen, ist aber der absolut falsche Weg. Deswegen appelliere ich an Sie, das abzulehnen und ansonsten die Resolution der demokratischen Fraktionen und der Ratsgruppe BUNT anzunehmen. - Vielen Dank. (Beifall bei der CDU und dem Bündnis 90/Die Grünen)

Hintergrund:

In einem gemeinsamen Antrag haben CDU, Grüne, SPD, FDP und BUNT die Bundesregierung und die Landesregierung NRW aufgefordert, kurzfristig Maßnahmen zu ergreifen, um dem Fachkräftemangel im Bereich der Erzieherinnen und Erzieher und in den Pflegeberufen entgegenzuwirken.

Köln wächst – hierdurch gibt es in allen Bereichen der Daseinsvorsorge erhebliche Ausbaubedarfe, die rechtzeitig in Angriff genommen werden müssen. In Köln steigt derzeit die Anzahl der zu betreuenden Kinder durch Geburten und Zuzug enorm und auch stärker als zunächst prognostiziert. Gleichzeitig gibt es auch immer mehr ältere – oftmals alleinstehende – Menschen, die auf Betreuungs- und Pflegeleistungen angewiesen sind.

Bei steigenden Bedarfen muss auch zukünftig sichergestellt werden, dass genügend qualifizierte Fachkräfte für diese gesellschaftspolitisch wichtigen Aufgaben zur Verfügung stehen. Dafür muss die Bundes- und Landespolitik die Bedingungen in diesen Berufen – nicht zuletzt die tarifliche Bezahlung – dauerhaft verbessern, so dass diese Berufe neue Wertschätzung erfahren und auch für junge Menschen wieder attraktiver werden.

Im Bereich der Erzieherinnen und Erzieher ist bereits jetzt auch in Köln ein Mangel an Fachkräften sowohl im Bereich der städtischen Einrichtungen als auch für die Einrichtungen der freien Träger deutlich spürbar. Hierbei ist noch nicht einkalkuliert, dass der Bedarf weiter zunimmt.

Ebenso steigt demografisch die Zahl der alten Menschen – darunter besonders der Anteil derer, die krank und / oder dauerhaft pflegebedürftig sind. Auch im Pflegebereich hält die Zahl der Fachkräfte nicht mit dem steigenden Bedarf mit. Krankenhäuser, Pflegedienste und Altenheime klagen gleichermaßen über die Schwierigkeit gut ausgebildetes Personal zu bekommen und es halten zu können.

Die Bundesregierung wird aufgefordert darauf hinzuwirken, dass beabsichtigte Maßnahmen zur Pflege - insbesondere die „Konzertierte Aktion Pflege“- zeitnah auf den Weg gebracht werden:

1. Die Rahmenbedingungen für die Fachkräfte im Sozial- und Erziehungsdienst sowie für den Alten- und Krankenpflegebereich und die Systeme Pflege und Erziehung sollen durch verbesserte Arbeitsbedingungen und Bezahlung bereits in 2018 deutlich verbessert werden.

2. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen für eine moderne Ausbildung und Qualifizierung der Fachkräfte im Erziehungs- und Pflegebereich sollen zeitnah verbessert werden. Parallel dazu soll in diesem Jahr eine Ausbildungsoffensive, Anreize für eine bessere Rückkehr von Teil- in Vollzeit, ein Wiedereinstiegsprogramm sowie Weiterqualifizierung von PflegehelferInnen zu Pflegefachkräften auf den Weg gebracht werden.

3. Eine Neubewertung der Bemessung des Personalbedarfs in Pflegeeinrichtungen muss kurzfristig durchgeführt werden. Hierzu gehört in einem ersten Schritt auch die Umsetzung des vorgesehenen Sofortprogramms zur Schaffung von 8.000 neuen Fachkraftstellen im Zusammenhang mit der medizinischen Behandlungspflege in Pflegeeinrichtungen.

Darüber bedarf es auch Verbesserungen im Personalbereich für den Leistungsbereich des SGB XI.

Die Landesregierung wird aufgefordert darauf hinzuwirken,

  • dass die Ausbildungskapazitäten für den Beruf des Erziehers/der Erzieherin sowie für den Beruf der Pflegefachkraft in der Alten - und/oder Krankenpflege landesweit deutlich erhöht werden, um so die Ausbildungsqualität und die Ausbildungskapazitäten dem aktuellen wie auch zukünftigen Bedarf anzupassen.

  • dass für die Ausbildung zum Beruf des Erziehers / der Erzieherin duale Ausbildungsmöglichkeiten stärker in den Fokus zu rücken sind.

  • die Assistenzausbildung in der Pflege zu stärken und weiterzuentwickeln.

  • Maßnahmen zu prüfen, wie die Fachseminare für Altenpflege und Krankenpflegeschulen im Rahmen der Pflegeberufe-Reform vergleichbare Chancen im Wettbewerb um Auszubildende und Lehrkräfte erlangen können und wie die Rahmenbedingungen für die Ausbildungsträger attraktiv gehalten werden können.

  • die bisherige Refinanzierung der Systeme dem steigenden Bedarf anzupassen und auch die Vergütung der Lehrkräfte wettbewerbsorientiert zu gestalten, um mehr Ausbildungskapazitäten durch Fachschulen in freigemeinnütziger Trägerschaft zu schaffen.

  • kurzfristig eine geschlechterspezifische Imagekampagne zur Sensibilisierung von Fachkräften für den Beruf des Erziehers/der Erzieherin sowie für den Beruf der Pflegefachkraft in der Alten - und/oder Krankenpflege zu erarbeiten.

Die Kommunale Konferenz Alter und Pflege soll sich mit dem Thema befassen und Vorschläge erarbeiten, wie die Stadt Köln dazu beitragen kann, dass in Köln das Interesse für eine Tätigkeit in Pflegeberufen und in der Ausbildung von Pflegekräften verstärkt werden kann.


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